Ernst KIRCHNER, Potsdamer Platz (1914)
Im Mittelpunkt unserer Kritik steht das Gemälde "Potsdamer Platz" von Ernst Ludwig KIRCHNER.
Die Szene spielt auf dem Potsdamer Platz, der damals als Inbegriff der Großstadt überhaupt und als Drehscheibe für Vergnügen galt.
Im Vordergrund sieht man zwei Frauen, die auf einer Art Insel stehen und zu posieren scheinen. Im Hintergrund befinden sich Gebäude und Passanten – hauptsächlich Männer. Von vornherein fällt es dem Zuschauer auf, dass diese zwei Frauen etwas Merkwürdiges an sich haben und dass es sich nicht um tugendhafte Frauen handelt. Eine Düsterkeit prägt diese Figuren. Ihre Hutfedern galten als Kennzeichen für Prostituierte.
Durch ihre Überlebensgröße wird die Aufmerksamkeit des Betrachters geradewegs auf sie gelenkt. Durch diese übertriebene Perspektive entsteht der Eindruck, dass alles Andere von ihnen weit entfernt ist, als ob sie gefangen und dazu gezwungen wären, sich zu prostituieren.
Die spitzen Formen und deren extreme Vereinfachung, sowie der scharfe Kontrast zwischen Rot und Grün verleihen dem Bild und der dargestellten Szene einen aggressiven Charakter, als ob es in dieser Großstadt und zu dieser Zeit keinen Platz mehr für Menschlichkeit gäbe.
Für dieses Gemälde hat Kirchner also das Thema Prostitution gewählt, was damals umso provokativer wirken konnte, als sie verboten war. Durch dieses Bild gelingt es Kirchner, starke Gefühle und Eindrücke entstehen zu lassen. Die Bewegung strebte tatsächlich genau danach, die Wirklichkeit, möge sie auch schockieren, unter allen Aspekten „unmittelbar und unverfälscht“ darzustellen. Jedoch entsteht diese Wirklichkeit nicht durch deren genaue Darstellung, sondern durch deren Verzerrung.
Die Aussage Paul Klees „die Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern macht sichtbar“ lässt sich also durch Kirchners Bild vorbehaltlos bestätigen. Nur so kann der Maler die Zuschauer aufrütteln und zum Vorschein bringen, was sie sich weigern zu sehen.
Ob Kirchner es geschafft hat seine Zeitgenossen aufzurütteln, bleibt uns unbekannt. Immerhin wird der gegenwärtige Zuschauer von diesem Gemälde getroffen, denn „Der Potsdamer Platz“ ermöglicht eine bereichernde Zeitreise mit kultureller, geschichtlicher und gesellschaftlicher Tragweite.
Eine Arbeit von der Gruppe 3 : Anne-Laure, Christina, Fabian, Laurence, Lise, Mélanie, Sarah.