Es war eine dunkle und stürmische Nacht, als ich auf das verlassene Geisterschloss stieß. Das alte Gemäuer ragte unheimlich hoch in den Nachthimmel, und seine Fenster wirkten wie leer starrende Augenhöhlen.
Neugierig und ein wenig ängstlich näherte ich mich dem Schloss. Als ich die schwere Eisentür aufschob, knarrte sie laut, als ob sie mich warnen wollte. Im Inneren war es stockdunkel. Nur in der Ferne flackerte ein schwaches Licht.
Mit jedem Schritt, den ich machte, spürte ich eine Gänsehaut über meinen Rücken laufen. Die Luft war schwer und von einem muffigen Geruch erfüllt. Plötzlich hörte ich ein leises Flüstern. Es klang, als ob jemand meinen Namen rief.
Ich erstarrte. Mein Herz klopfte wie wild. Langsam und vorsichtig folgte ich dem Flüstern. Es führte mich durch verwinkelte Korridore und über knarrende Treppen. Schließlich erreichte ich einen großen Saal.
In der Mitte des Saals stand ein alter, verstaubter Leuchter. Auf ihm flackerte eine einzelne Kerze, die ein schwaches Licht verbreitete. Ich konnte erkennen, dass der Saal von einem dicken Spinnweb bedeckt war. Und dann, an der gegenüberliegenden Wand, sah ich sie.
Es war die Gestalt einer jungen Frau. Sie war in ein weißes, fließendes Gewand gekleidet und hatte lange, schwarze Haare. Ihre Augen waren geschlossen, und ihr Gesicht war blass und ausdruckslos.
Ich blieb einen Moment stehen und beobachtete sie. Ich spürte, wie sich meine Angst langsam auflöste. In ihren Augen lag so viel Traurigkeit, dass ich ihr nicht widerstehen konnte.
Ich näherte mich ihr vorsichtig und legte meine Hand auf ihre. In diesem Moment öffnete sie ihre Augen. Sie waren groß und dunkel und voller einer unergründlichen Traurigkeit.
"Wer bist du?", fragte ich leise.
"Ich bin die Tochter des Schlossherrn", antwortete sie. "Ich wurde vor langer Zeit ermordet, und mein Geist ist seitdem hier gefangen."
Ich setzte mich neben sie und hörte ihrer Geschichte zu. Sie erzählte mir von dem Tag, an dem sie von einem eifersüchtigen Diener getötet wurde. Sie erzählte mir von ihrem Schmerz und ihrer Einsamkeit.
Als sie ihre Geschichte beendet hatte, blickte ich sie mitfühlend an. "Es tut mir so leid", sagte ich. "Ich hoffe, dass du endlich deinen Frieden finden kannst."
Sie lächelte schwach. "Danke", sagte sie. "Ich wusste, dass du kommen würdest."
Ich stand auf und nahm ihre Hand. "Ich muss jetzt gehen", sagte ich. "Aber ich werde dich nicht vergessen."
Sie nickte. "Ich weiß", sagte sie. "Und ich werde auf dich warten."
Ich drehte mich um und ging langsam aus dem Saal. Als ich die Tür hinter mir schloss, hörte ich, wie sie seufzte. Ich wusste, dass sie jetzt in Frieden war.
Das Geisterschloss war nicht mehr ein Ort der Angst, sondern ein Ort des Friedens und der Erinnerung. Ich würde nie vergessen, was ich dort erlebt hatte. Und ich würde immer die junge Frau in Erinnerung behalten, die so lange dort gefangen gewesen war.